Notenbanken gehen “all in”

Gastbeitrag von Dr. Bert Flossbach, Gründer und Vorstand der Flossbach von Storch AG

Covid-19 hat die Kapitalmärkte im Griff, weiterhin. Gibt es möglicherweise ein Drehbuch für die Krise, bezogen auf den Verlauf und ihre langfristigen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte? Irgendwelche Anhaltspunkte als Blaupause, möglicherweise aus der Finanzkrise 2008/09? Leider ist das nicht so einfach. Schauen wir zunächst zurück. Die Zeit seit Jahresanfang lässt sich grob in vier Phasen unterteilen:

Phase 1

Phase 1 markiert die Zeit bis zum 21.2., einem Freitag. Der MSCI Welt Aktienindex, nehmen wir ihn an dieser Stelle als Referenz für den Gesamtmarkt, notiert bis dahin rund sieben Prozent im Plus, trotz der wachsenden Corona-Sorgen. An jenem Freitag werden dann die ersten Todesfälle in Italien vermeldet. Uns dämmert, dass Covid-19 und seine wirtschaftlichen Folgen nicht auf Asien begrenzt bleiben, sondern auch den Rest der Welt, allen voran Europa hart treffen könnte.

Phase 2

Phase 2 (24.2.-23.3.) lässt sich als Corona-Crash beschreiben. In dieser Zeit verliert der MSCI Welt, in Euro gerechnet, im Vergleich zum Jahresbeginn rund 30 Prozent an Wert.

Phase 3

Phase 3 beginnt mit dem 23. März, vermutlich einem der bedeutsamsten Tage in dieser Krise, zumindest bezogen auf die Kapitalmärkte. Der Tag, an dem die US Notenbank Federal Reserve „all in“ geht und mit ihrem neuerlichen Anleihekaufprogramm ein unlimitiertes Beistandsversprechen abgibt (vgl. Grafik Seite 3). Mit diesem Versprechen startet die Erholung an den Börsen. Eine solche Erholungsphase ist nach so heftigen Rücksetzern keine Seltenheit, sondern eher ein halbwegs verlässliches Muster. Phase 3 endet mit dem 15.5.

Phase 4

Phase 4 lässt sich mit dem Begriff „Rally“ überschreiben. Der Dax beispielsweise klettert am 18.5. um rund sechs Prozent und damit wieder über die Marke von 11.000 Punkten. Gefragt sind allen voran die konjunkturabhängigen Titel: Banken, Fluggesellschaften oder Ölkonzerne. Eine solche Bewegung haben wir uns – zu diesem Zeitpunkt – nicht vorstellen können. Wie nachhaltig sie ist, wird abzuwarten sein. Unsere Teilabsicherung kostet in dieser Phase Rendite; außerdem kommt Gegenwind von der Währungsseite, da der US-Dollar schwächelt. Beides zusammen belastet die Wertentwicklung, zumindest temporär.

Wenn die Erträge nicht widerstandsfähig genug sind, können auch wenig Schulden zu viel sein. Selbst wenn eine „Zweite Welle“ käme, erscheint es aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass die dann zu treffenden Maßnahmen ein ähnliches Ausmaß hätten wie die bislang verfügten. Massive Einschränkung wie einen flächendeckenden Lockdown dürfte es unseres Erachtens nicht mehr geben, auch nicht in China. Das gewonnene Wissen über das Virus, die Ansteckungsmöglichkeiten und die Mortalität, dürften helfen, um künftig gezielter vorzugehen, selbst wenn noch kein Impfstoff gefunden ist.

So oder so: Langfristig kommen Investoren unseres Erachtens nicht um erstklassige liquide Sachwerte herum, allen voran Aktien sehr guter Unternehmen